Uttums historisches Geläut

Das Uttumr Geläut umfasst zwei historische Denkmalsglocken und eine im Jahr 2013 hinzu gegossene Glocke. Eine vierte Glocke dient als Uhrschlagglocke. Der Glockenstuhl stammt aus dem 17.Jahrhundert (und älter).

Marienglocke 1465 Ghert Klinghe

Die älteste Läuteglocke ist die Marienglocke. Sie wurde im Jahr 1465 von dem Glocken- und Erzgießer Ghert Klinghe aus Bremen gegossen. Sie ist aus Bronze, hat einen Durchmesser von 1,668 m und ist ca. 2880 kg schwer. 

Die Glocke trägt am oberen Rand die Inschrift: 

"Anno dni MCCCC LXV Maria ik hete
de van Uttum hebbe mi late gheten 
tho unser leve vrouwen ere."
(Im Jahre des Herrn 1465, ich heiße Maria
die Uttumer haben mich gießen lassen
zu unserer lieben Frauen Ehre.")

Die Wandung der Glocke ist auf der einen Seite mit einer Kreuzigungsgruppe und auf der anderen mit einem Marienbild geschmückt. Über dem Haupt der Madonna steht geschrieben: Ave Maria. Daneben erscheinen die Namen des Apostels Paulus und der Hl. Katharina.

Eine weitere Inschrift gibt es am unteren Rand der Glocke. Dort heißt es:

„Defunctos plango. vivos voco. fulgura frango. Est hic curatus Franko de Wirdum natus. Est Beno praepositus honorabilis et capitalis, uxor eius Etta que de Herlingia natas.“ „Ghert Klinghe mi ghegoten haed, god gheve siner selen rat. men sal mi alle vridaghe luden. dat sal uns de passie beduden. dat cristus leed up den vridach den doet. des help uns God uyt aller noet.“ („Gestorbene besing ich, Lebende ruf ich, Blitze brech ich. Pfarrer ist hier Franko, aus Wirdum gebürtig. Beno ist ehrwürdiger Propst und Häuptling, seine Gattin ist Etta, gebürtig aus dem Harlingerland. Ghert Klinghe hat mich gegossen. Gott gebe seiner Seele Rat. Man soll mich alle Freitage läuten. Das soll uns an die Passion erinnern, daß Christus an einem Freitag den Tod erlitt. Des helfe uns Gott aus aller Not.“) 

Diese Inschrift benennt die besondere Funktion der Glocke: Sie diente als sogenannte „Scheidglocke“. Sie wurde nach mittelalterlichem Brauch am Freitag zur Sterbestunde Christi geläutet.

 

Baulard - Glocke 1659

Im Jahr 1659 goss Gottfried Baulard aus Lothringen eine Glocke für das Uttumer Geläut. Er verwendete das Material einer Glocke, die geborsten war. Das Materialk ist Bronze. Die Glocke hat einen Druchmesser von etwa 1,16 m und wiegt schätzungsweise 910 kg. Sie trägt die Inschrift: 

„anno 1318 ist diese Klocke eerstmal ghoten. anno 1659 hebben de hochedel geboorner Jonker Jest Moritz Hane to Leer und Uttum hoveling, de Eerwerd D. Cornelius Wybenius Muller prediger in Uttum un gemeene deese Klocke laten vorgheten dorch Meister Godfried Baulard Lotharingius. Herm. Conr. Muller. Organista."

Jesus - Glocke 2013 Rincker

Seit Dezember 2013 gibt es eine neue dritte Glocke. Sie hat einen Durchmesser von 140,6 cm und ein Gewicht von 1886 kg. Sie trägt die Inschrift "Jesus Christus spricht: Ich lebe und ihr sollt auch leben." Die Flanke ziert ein Segelschiff mit Wellen; unter dem Schlagring steht: "Die Uttumer hsben mich giessen lassen im Jahre des Herrn 2013." Gefertigt wurde die Glocke von der Glockengiesserei Rincker aus Sinn. 

Im Zuge des Einbaus dieser Glocke wurde auch die Aufhängung der beiden Denkmalsglocken saniert. Im Jahre 1934 waren sie durch die Glockengießerei Rincker in zwei neue gekröpfte Armaturen umgehängt worden. um die auf den Kirchturm wirkenden Lasten abzumildern. Der Turm war 1931 teilweise eingestürzt, wenn auch nicht wegen der Glocken. Bei der Kröpfung handelte es sich um ein neues Verfahren, so dass sich die Firma Rincker im Jahr 1937 beim Preußischen Staatshochbauamt Aurich nach den vorliegenden Erfahrungen mit dieser Aert Aufhängung erkundigte. Das Staatshochbauamt erklärte sich jedoch für nicht zuständig. Heute steht fest: Diese Aufhängung ist nicht denkmalsgerecht gewesen und war dazu klanglich nachteilig. Nach all den Jahren war sie technisch abgänig und so wurden die Glocken, dem historischen Vorbild entsprechend, in gerade Holzjoche gehängt.

Ein Artikel sowie ein Video zum Guss auch der Uttumer Glocke steht hier zur Verfügung: https://www.pro-medienmagazin.de/wirtschaft/2013/12/19/die-weihnachtsglocke/

Katharina - Glocke 1444: Uhrschlagglocke

Sie ist die kleinste und zugleich älteste Glocke. Einstmals im Dachreiter positioniert befindet sie sich heute in der nordöstlichen Schallöffnung der Glockenstube. Auf ihr ist zu lesen: Die van Uttum hebben mi goten an.d. mccccxliiii katerina". Möglicherweise ist sie von einem Gesellen Ghert Klinghes gegossen worden.

Historisches

Der Zuguss der Jesus - Glocke hat eine lange Vorgeschichte.

Bereits in seinem Werk "Ostfriesland. Eine geschichtlich - ortskundige Wanderung gegen Ende der Fürstenzeit" (1889) beschreibt O.G. Houtrouw eine Glocke, "nahezu von derselben Größe" wie die Marienglocke. Es sei auf ihr unter anderem zu lesen gewesen "Jhesus ik hete dat karspel in Uttum het mi laten ghete - anno dni M.CCCC.LXXXVII". Houtrouw bezieht sein Wissen aus älteren Quellen, dene er merkt an, diese Glocke sei 1643 leider geborsten und sei vor einigen Jahren umgegossen. 

Bei ihr dürfte es sich um die Im Jahr 1876 von der Glockengießerei Rincker gegossene neue Jesus - Glcoke für die Uttumer Kirche handeln. Sie hatte einen Durchmesser von 1,35 m. Sie blieb nicht lange im Glpckenstuhl: im Jahr 1917 wurde sie zu Kriegszwecken beschlagnahmt. Sie ist nicht nach Uttum zurückgekehrt.

An ihrer Stelle ließ die Kirchengemeinde Uttum im Jahr 1959 eine neue dritte Glocke gießen. Es handelte sich um eine Eisenhartgussglocke, hergestellt von der Turmnuhrenfabrik und Glockengießerei Wilhelmshütte aus Bockenem am Harz. Der finanzielle Spielraum war begrenzt: Mehr als 2.000 Mark durfte die neue Glocke nicht kosten. Die Glocke hat die Inschriften erhalten: "Den Opfern beider Weltkriege 1914 - 1918 und 1039 - 1945. Jesus Christuis spricht: Ich lebe und ihr sollt auch leben." Mit Transport, Einbau etc. hat die 450 kg schwere Glocke am Ende 2172,45 DM gelostet, inklusie frei Kost ind Logis für den Monteur, 

Genau 50 Jahre später musste diese Glocke stillgelegt werden: Wind und Wetter und Rost hatten ihr wie auch der Aufhängung über Gebühr zugesetzt. Gleiches galt für die Aufhängung der beiden anderen Glocken. Da die Lebensdauer von Eisenhartgussglocken ohnehin begrenz ist (50 Jahre plus x) stand die Kirchengemeinde vor der Frage, ob sich eine Reparatur rechnen würde. So ward die Idee geboren, das Geläut durch eine neue Bronzeglocke zu vervollständigen: eine Jesus - Glocke, was denn sonst? Durch zahlreiche Spenden und mittels allerlei Gemeindeaktionen gelang über die Jahre die Finanzierung des Vorhabens. Unterstützt wurde es durch Zuwendunegn der Johanne Luise Schreiber - Stiftung sowie der Gerhard ten Doornkaat Koolmann - Stiftung. Ebenso gab es einen Zuschuss seitens der Ev.-ref. Kirche. Heute steht die Eisenhartgussglocke auf dem Platz vor der Kirche.

Glockenbeschlagnahme

Der Verlust der 1876 gegossenen Glocke durch Konfiszierung zu Kriegszwecken ist bereits erwähnt worden.

Mit Schreiben der Kreishandwerkerschaft vom 31.1.1942 wird der Kirchengemeinde Uttum die Beschlagnahme der Bronzeglocken angekündigt. Die Ankündigung geht zurück auf eine "Anordnung des Beauftrahen für den Vierjahresplan vom 15.3.40" und betrifft alle Glocken, für die keine Freistellungsbescheinigung vorgelegt werden kann. Die Kosten für die "Abnahme und die erforderlichen Ergänzungsarbeiten" übernehme die Reichsstelle für Metalle.

Abnahme und Abtransport der Glocken werden am 10. März 1942 bescheinigt: eine Glocke im Gewicht von 830 kg (die Baulard - Glocke), eine Glocke mit dem Gewicht von 150 kg (die Katharina). Für Glocken "von aussergewöhnlichem geschichtlichem oder künstlerischem Wert" konnte Befreiung von der Ablieferungspflicht beantragt werden. So verblieb die Marienglocke in Uttum. 1917 waren übrigens sowohl die Marienglocke als auch die Baulard - Glocke und die Katharina von Beschlagnahme, Enteignung und Ablieferung befreit worden - vorläufig jedenfalls, teilt der Provinzialkonservator aus Hannover mit. Der Landrat allerdings nennt in seinem Freistellungsbeschied, einige Wochen später ausgestellt, lediglich die Glocke von 150 kg.

Mit Schreiben des Ev.-ref. Landeskirchenrates Aurich vom 24. Mai 1946 erhält der Kirchenrat Uttum die Mitteilung, dass nach Kenntnis des des Evang.-lutherischen Landeskirchenamtes Hannover "unter den noch in Harburg lagernden Glocken erfreulicherweise sich auch die Glocken der Uttumer Gemeinde befinden. Über eine Rücklieferung bekomme der Kirchenrat später Nachricht. Tatsächlich erfolgt ist die Rückführung im Januar 1948.

2013: eine neue Glocke für Uttum

Am 3. Dezember 2013 erreichte die neue Jesus - Glocke Uttum.

Video zum Glockenguss am 8. November 2013 (YouTube)