Kirchturm Uttum
"Blicken wir zur Spitze des 140 Fuß hohen Thurmes hinauf, so gewahren wir, daß er mit einem Satteldach abschließt, über dem sich ein Dachreiter erhebt, der die Uhrglocke enthält. Aber treten wir jetzt nich einmal in die schöne, mit einem Sterngewölbe ausgestattete Thurmhalle, um von hier aus die Stufen zu ersteigen, die uns zu einem Thurmgemach (Wärterstube?) mit alterthümlichen Kamin ... und dann zu den drei Läuteglocken führen, welche zu den besten im Lande zählen und, wie die Sage will, den Aurichern vernehmbar oft genug ein Gegenstand der Mißgunst waren."
Dieses Zitat entstammt aus "Ostfriesland. Eine geschichtlich - ortskundige Wanderung gegen Ende der Fürstenzeit", verfasst von O.G. Houtrouw. Erschienen ist dieses Werk im Jahr 1889.
Was Houtrouw beschreibt, gibt es in dieser Form heute nicht mehr. Im Dezember 1931 ist ein großer Teil der Westmauer des Kirchturmes herausgebrochen, auf Ansage hin. Lange schon hatte der Turm sich gefährlich nach Osten - also zur Kirche hin - geneigt, Risse und herausgeplatztes Mauerwerk waren unübersehbar. Landeskirche und Denkmalpflege waren eingeschaltet, und fehlte es auch nicht an guten Ideen und Worten, so doch an finanziellen Mitteln, das sich abzeichnende Unheil abzuwenden
Der Schaden war immens. Zwischen vollständigem Abriss und vollständiger Wiedererrichtung fand man einen Mittelweg. Die Westmauer wurde wieder aufgerichtet, das oberste Geschoss bis hinunter zum Glockenstuhl abgetragen und stark eingekürzt neu aufgemauert. Die passenden Ziegel dazu lieferte die Dampfziegelei Uttum. Das Satteldach mit Dreiecksgiebelabschlüssen wich einem Zeltdach. So stellt sich der Turm heutzutage verhältnismäßig unproportional dar. Für seine Standfestigkeit wurden zum Kirchenschiff hin 3 bis zu 10 Meter tiefe Brunnengründungen vorgenommen - eine bautechnische Herausforderung und eine gefährliche Arbeit hinzu. An der Westseite des Kirchenschiffs wurden starke Stützmauern errichtet, so das sich neben dem Erscheinungsbild des Turmes auch das Innere des Kirchenschiffs stark verändert hat.
Über die Errichtung des Turmes kursieren die Jahreszahlen 1527 und 1537. Schon für Houtrouv waren die stark verwitterten Inschriften über den Eingängen sowohl auf der Nord- wie auf der Südseite des Turms kaum mehr entzifferbar. So steht über der Tür im Norden: "1537 (oder 1527). Stillen Vridag is dusse toren angeleget worden doe Johannes van bra Kerkher was. Wert Bove Haro Wibben advo(cati)." Über der Tür im Süden steht: "1537 (oder 1527). Omko Ripperda dom Fermsum hoeflink to Uttum. Aeildt vrese to Loquard hoeflink praest to Uttum." Auf einer Inschrift im Westen wurde neben den genannten Personen Graf Edzard erwähnt, der bereits 1528 verstorben ist. Houtrouw folgert, der Turm scheine schon 1528 "zum Theil vollendet gewesen." Sicher ist, dass zur Errichtung des Turms das westliche Gewölbejoch der Kirche weichen musste, also abgerissen wurde. Mit Errichtung des Turms erfolgte der Zugang zur Kirche durch dessen Nordtür. Hier existierte eine hohe Turmhalle; Turm und Kirchenschiff waren durch eine große Bogenöffnung verbunden. Sie wurde nach dem Einsturz des Turmes vermauert.
Seit einigen Jahren zeichnet sich erneut die Notwendigkeit der Sanierung des Turmes ab. Entsprechende Untersuchungen sowie ein Maßnahmenkatalog liegen vor. Wie ehedem ist die Kirchengemeinde auf die finanzielle Unterstützung durch Behörden, Stiftungen und die Ev.-ref Landeskirche angewiesen.
Vor 1931 - heute
Der Einsturz 1931
Toornhahntje
1662: Aus diesem Jahr stammt der vergoldete Hahn auf der Kirchturmpitze.
Jahrhundertelang hat er Wind und Wetter getrotzt, bis ihn in der Nacht vom 30. auf den 31. Dezember des Jahres 2006 ein Sturm herabwehte. Kopfüber steckte er im Rasen des Friedhofs, als er am morgen entdeckt wurde. Zum Glück war er unversehrt, allerdings entdeckte man bei näherer Betrachtung zwei Einschusslöcher.
Das rief Radio, Presse und gar das Fernsehen auf den Plan. Für die Aktuelle Stunde des Norddeutschen Rundfunks wurde eine Kriminalgeschichte gedreht. Der oder die Täter freilich konnten nicht ermittelt werden.
Die nackte Wahrheit lautet: Den Schießübungen hatte er standgehalten, dem Sturm nicht, wenn der auch gewiss nicht der erste in seinem langen Leben gewesen ist. Keine Frage war es, dass er alsbald seinen angestammten Platz wieder einnehmen sollte, doch es dauerte seine Zeit. Wenn schon, denn schon, sollte er zuvor restauriert werden. Eine ältere Dame war durch die Medien aufmerksam geworden und stiftete Blattgold, welches schon lange ungenutzt in ihrem Besitz lagerte. Ein Künstler aus Emden führte die Arbeiten aus. Am 9. Februar 2008 endlich war es so weit: Ein Dackdeckermeister aus Hinte und seine Mitarbeiter hievten ihn mitsamt Windrose über das zuvor errichtete Gerüst hinauf zurück in schwindelnde Höhen. Golden glänzte er nach getaner Arbeit im Licht der Wintersonne.
Nicht bekannt ist, ob das Uttumer Toornhahntle einen Vorgänger hatte. Immerhin ist der Turm gute 130 Jahre älter.
Toornhahntje's Rückkehr
Das Uhrwerk
Alten Aufzeichnungen zufolge gab es im Kirchturm ein kunstvoll geschmiedetes Uhrwerk. Es fiel dem Einsturz der Westmauer zum Opfer. Im Zuge der Wiedererrichtung des Turmes hat die Firma J.F. Weule aus Bockenem am Harz eine Präzisionsturmuhr nebst Zeigerwerk und Stundenstrichen gefertigt und mit Rechnung vom 27.11.1934 zum Preis von 930 Reichsmark geliefert. Es war eine Zahlung in Raten vereinbart. Das Zeigerwerk ist auf der Ostseite des Kirchturms zu sehen. Das Uhrwerk ist mit der Schlagglocke verbunden und schlägt die vollen Stunden je nach Uhrzeit von 1 bis 12 mal sowie jeweils einmalig die halben Stunden. Die Uhr muss wöchentlich aufgezogen werden.